Intralogistik für die Industrie 4.0

Was ist I4.0? Professoren entwickelten in der I.N.Fachgruppe „Intralogistik für die Industrie 4.0“ zusammen mit Experten aus baden-württembergischen Unternehmen ein Anspruchsniveau für Industrie 4.0-Lösungen. Das Konzept einer Industrie 4.0 zielt auf die Produktivitätssteigerungen in Fertigung und Logistik. Die Produktivitätssteigerungen entstehen durch die Flexibilisierung der Automation und dem Aufbau eines Sozio-Eco-Systems für die Objekte in Logistik und Produktion. Die Flexibilisierung der Automation bezieht sich

  • auf das Produkt: Die Produktvielfalt soll über eine Fertigungsanlage abgewickelt werden können, und
  • auf die Kapazität: Gewünscht werden Plug & Play fähige Anlagen bzw. Kapazitätsanpassungen ohne Fertigungsstillstand.

Das Sozio-Eco-System ermöglicht die vorkenntnisfreie Verarbeitung von Daten von Sensorik und Aktorik sowie die mit Internet of Things beschriebene eindeutige Kennzeichnung von Objekten.

Die Gestaltungsbereiche für Industrie 4.0 Lösungen umfassen Aspekte

  • der Technologie, wie Digitalisierung, Vernetzung, Security, Stabilität der Produktion, Umgang mit der Produktvielfalt, Nutzung von Sensorik und Aktorik, vorkenntnisfreie Daten,
  • die Integration des Menschen, unter Nutzung des Flexibilitätspotentials der Mitarbeiter, der Entlastung von Routinetätigkeiten oder Schwerstarbeit, sowie einer Verbesserung der Entscheidungsfähigkeit,
  • der Prozesse, insbesondere den Umgang mit Komplexität, Reaktionsfähigkeit auf Prozessstörungen und Produktneueinführungen, sowie
  • der Geschäftsmodelle, wie z.B. die Nutzung von Shared-Economy Konzepten, und die Erzeugung von Mehrwerten.

Intelligente und digital vernetzte Systeme sollen eine selbstorganisierte Produktion ermöglichen, so dass auch kleine Stückzahlen bzw. Mengen von Halb- und Fertigwaren zu annehmbaren Konditionen erzeugt werden können. Die erforderlichen Optimierungen in den Wertschöpfungsketten sollen durch direkte Kooperation und Kommunikation zwischen Menschen, Maschinen, Anlagen und Produkten erreicht werden.

Damit setzt Industrie 4.0 vor allem an einer engeren Verschränkung des Waren- und des Informationsflusses an: Ohne eine effektiv digitalisierte Intralogistik geht nichts!

Und längst schon haben die Intralogistiker in der I4.0-Welt ihre Nase ganz vorne im Wind. Unternehmen wie Hochschulen arbeiten intensiv an praktischen Umsetzungen:

‚Technologie‘

Die ebm-papst St. Georgen GmbH & Co. KG hat sich zusammen mit weiteren I.N.Mitgliedern als Konsortialpartner engagiert, um die Entwicklung eines flexiblen, autonomen Versorgungssystems in der Produktion voranzutreiben. Heraus kam KARIS PRO. Grundprinzip ist der Einsatz redundanter, baugleicher Einzelelemente, welche selbständig navigieren und Ladungsträger transportieren. Die KARIS PRO Elemente können sowohl alleine als auch im Zusammenschluss arbeiten. Im Verbund organisiert, können sie Rollenbahnen (Stetigcluster) und Funktionscluster (Unstetigcluster) bilden. Der Einzeltransport von Teilen zu unterschiedlichen Zielen ist also ebenso möglich wie der Transport großer Ladungsträger im Verbund. Dadurch erlangt KARIS PRO eine Anpassungsfähigkeit, die die Bewältigung verschiedenster Aufgaben ermöglicht. Darüber hinaus soll das System die Notwendigkeit der Anpassung aufgrund von Änderungen im Produktionssystem erkennen, Alternativen simulieren und sich selbst umbauen können. Die einzelnen Elemente kommunizieren nicht nur untereinander, sondern auch mit ihrer Umwelt: Der Mensch kann bei Bedarf in die Aufgabenplanung eingreifen und so zum Beispiel Aufträge priorisieren. Durch ergonomisch abgestimmte Funktionen erleichtert KARIS PRO sogar dem Menschen die Arbeit, indem zum Beispiel Hebevorgänge unterstützt werden.

Die Gebhardt Fördertechnik GmbH hat mit dem FlexConveyor ein Materialflusssystem entwickelt, dessen einzelne Fördermodule sich per Plug&Play zusammenstecken lassen. Sie können sowohl mechanisch als auch IT-seitig gekoppelt und wieder entkoppelt werden. Der Aufbau einer Förderstrecke, egal ob für leichte Kartons oder schwere Paletten, wird somit enorm vereinfacht. Der Kunde kann mit dem neuen System seine Anlagen kontinuierlich an die Markterfordernisse anpassen. Ausfälle und Störungen werden von den Modulen automatisch erkannt und gemeldet – da das System dezentral arbeitet, kann das schadhafte Modul ausgetauscht werden, ohne dass die anderen Module außer Betrieb genommen werden müssten. Die hohe Intelligenz und Selbstverwaltung der einzelnen Module macht solches möglich.

Der ‚elektronische Laufbursche FiFi‘ der BÄR Automation GmbH kann dem Menschen in vielen Prozessen der Intralogistik Traglasten abnehmen: vom Wareneingang über die Kommissionierung bis zur Verpackung und dem Warenausgang. Besonders sinnvoll ist sein Einsatz in Szenarien mit dynamischen Materialflüssen, die eine hohe Flexibilität erfordern. Das batteriebetriebene Warentransportfahrzeug FiFi ist ein FTS, das sich über ein Kamerasystem berührungslos per Gestik steuern lässt. Durch seine Plug&Play-Lösung lässt es sich besonders einfach integrieren. FiFi gibt es in zwei Varianten: Das kleinere Fahrzeug hat eine Grundfläche von 50 auf 50 Zentimeter und transportiert Lasten bis 30 Kilogramm. Die größere Version schafft das Zehnfache an Gewicht und ermöglicht außerdem das Ziehen eines Wagens.

 ‚Prozess‘

Das Plug-In Label der BIZERBA GmbH & Co. KG führt in die Lebensmittelindustrie 4.0: Das personalisierte Etikett vermerkt den Namen des Kunden sowie die Herkunft des Produkts und die spezifischen Angaben der Bestellung. Der Kunde kann sich per QR-Code über die Herkunft und Qualität des einzelnen Produkts sowie dessen Lieferweg informieren. Innerhalb des Handels wird mit Hilfe des Plug-In Labels eine intelligente Steuerung für die Preis- und Warenauszeichnung möglich.

Das Belieferungssystem für das B- und C-Teilemanagement der produzierenden Industrie setzt die Bossard Deutschland GmbH in Form einer ‚smart factory logistics‘ um: Behälter mit Gewichtssensoren übermitteln pausenlos ihren Bestand an B- und C-Teilen im Lager und in der Produktion des Kunden. Bossard empfängt diese Daten, wertet sie aus und liefert automatisch den entsprechenden Nachschub – je nach Leistungsdefinition auch direkt an den Arbeitsplatz und ohne dass sich der Kunde darüber Gedanken machen muss. Das Herzstück der Lösung bildet die eigens entwickelte Software ARIMS, die Echtzeit-Daten auf einer individuell konfigurierbaren Benutzeroberfläche anzeigt. Der schlankere Prozess ermöglicht Einsparungen zwischen 20 und 40 % bei Bestell- und Lieferzeit sowie Bearbeitungsaufwand.

Mit Hilfe des intelligenten Behälters iBin® der Würth Industrie Service GmbH & Co. KG werden ebenfalls automatische Bestellungen in der Materialwirtschaft ausgelöst. Er arbeitet allerdings mit einer anderen Technologie: Eine integrierte Kamera nimmt regelmäßige optische Füllstandsmessungen vor und erlaubt eine zeitpunkt- und stückgenaue Bestandsermittlung z.B. von Schrauben und Muttern. Die Daten werden per gesichertem Funkkanal an eine Kommunikationsstelle übertragen. Der iBin kann damit unabhängig von Lagerort und Arbeitsplatz verwendet werden.

Bei ebm-papst Mulfingen GmbH & Co. KG wurden die internen Wertschöpfungsprozesse intelligent miteinander vernetzt um in Prozessoptimierung, Prozesskontrolle und Transparenz der eigenen Produktionsprozesse voran zu kommen. Basierend auf einer MES-Anwendung wurde eine standardisierte Lösung umgesetzt die eine nahtlose Integration aller Fertigungsressourcen (Maschine, Mensch, Material) in den sogenannten ‚digitalen Fluss‘ über der Fertigung ermöglicht und informationstechnische Insel- und Individuallösungen ersetzt. In einem fortlaufenden Dialog zwischen Maschine und einer standardisierten Integrationsschicht zum MES werden kontinuierlich Daten abgefragt und Fertigungsschritte veranlasst. Die Maschinen fordern selbständig die benötigten Produktinformationen und die zugehörigen maschinenspezifischen Parameter an. Damit wird unter anderem die durchgängige Rückverfolgbarkeit vom Endgerät bis zur Charge jedes einzelnen Bauteils möglich.

‚Geschäftsmodell‘

Die viastore SYSTEMS GmbH hat eine neue Software-Lösung für die Planung und Inbetriebnahme von Materialflussystemen entwickelt. Sämtliche Komponenten werden vor der realen Umsetzung in einem digitalen Modell abgebildet und auf ihre Funktionsfähigkeit hin simuliert. Es können sämtliche Szenarien implementiert, getestet und in den Live-Betrieb gebracht werden. Damit steigen nicht nur Qualität und Effizienz bei Realisierung der Steuerung von Materialflusssystemen, es ist auch eine ganz erhebliche Zeiteinsparung bei deren Inbetriebnahme möglich.

‚Mensch‘

Die DHBW Mosbach hat in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern eine Industrie 4.0-Modellfabrik mit realitätsgetreuen und praxisnahen Prozessen in Produktion, Logistik, Service- und Anlagenmanagement entwickelt. Sie wird als ‚Living Lab‘ kontinuierlich angepasst und erweitert, um die neuesten Entwicklungen abzubilden. Genutzt wird sie in Lehre und Transferforschung. Es wurde bereits eine breite Auswahl an typischen Geschäftsprozessen realisiert und integriert – vom ERP-System bis zum realen Materialfluss komplett über Echt-Systeme abgebildet.

Diese Meldung wurde, etwas bearbeitet, im Zukunftsmotor 2/2017 der Metropolregion Rhein-Neckar veröffentlicht. Das pdf-File dieses Artikels finden Sie hier: Intralogistik: Rückgrat von Industrie 4.0 (pdf, 4 Seiten).

Hier finden Sie nähere Angaben zu den Unternehmen.

Und hier finden Sie ausführlichere Beschreibungen ihrer Industrie 4.0 Lösungen.